Ein Syllabus von Beruf und Bildung

Der Beruf sei eine Schule – vocatio sua schola, heißt es bei Jan Amos Comenius. Das Leben ist es, welches einen unsichtbaren Lehrplan vorgibt. Das Leben schreibt einen unsichtbaren Syllabus – die Lektionen folgen in einer natürlichen Reihenfolge. Auf die Lehrjahre folgen die Wanderjahre, man ist Lehrling, Geselle, Meister – man ist Student, Baccalaureus, Magister, Assistent, Doktor – Soldat, Feldwebel, Offizier, General. Und aller Erfolg hat seinen Anfang auf der niedersten Stufe an Wissen, Können und Ansehen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ – Man mag die Behauptung nicht mögen, aber sie wiederholt sich seit Ewigkeit. Und sie gilt wohl in allen sozialen Schichten. Stufen des Berufs sind Stufen an Bildsamkeit und Bildung, an Erziehung und Erzogenheit. – Der Syllabus von Kenntnissen zu Wissen ist oft beschrieben worden, ein Syllabus von der Fremd- zur Selbsterziehung schwer zu beschreiben. Noch gibt es keine Typologie sozialer Lernformen – zu verführerisch die Synonymität von Erziehung und Sozialisation. Erziehung hat einen sichtbaren, Sozialisation einen unsichtbaren Erzieher – sie geschieht hinter unserem Rücken. Wir wissen nicht, wer wir nachher sein werden. Und so wird mancher Syllabus rückwärts geschrieben – so dass es scheinen mag, dass alles seinen Sinn gehabt hat, einer Vorsehung folgt. Biographien zeichnen den Weg der Vorherbestimmung und die Versuche der Selbstbestimmung nach. Und so mancher Selbstbestimmung blieb nichts anderes übrig, als die Schritte in jene Richtung zu lenken, in welche uns die Fremdbestimmungen ohnehin geführt hätten. Was in uns also ist das Selbst, was das Fremde – und wenn ja, wie viele (…)

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